Zombies wie wir | cuautor
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Erschienen im Dezember 2023:

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Christian Urech: Zombies wie du und ich. Dystopischer Roman.
292 Seiten. Edition Stastra, 2023.
CHF 39.80

Der Roman beginnt damit, dass die Bundespräsidentin der Schweiz, eine Transperson und Migrantin aus Südkorea, von einer neuen weltweiten Pandemie erfährt, die aber, anders als bei Covid-19, die Menschen nicht krank macht, sondern «unsterblich», so dass sie nicht älter und durch die Ausbildung einer unglaublichen Regenerationsfähigkeit sozusagen immun gegen Krankheiten und Unfälle werden. Die Regierungschefin setzt daraufhin ein Expert:innengremium zusammen, das aus einem Arzt und Virologen, einer Juristin, einer Psychologin, einer Juristin, einem Soziologen und einem Wirtschaftsprofessor zusammengesetzt ist und sich mit vielen neuartigen Problemstellungen konfrontiert sieht.

Ein Sohn des Arztes und Virologen, ein 17-jähriger Gymnasiast, überlebt an seiner Schule den Amoklauflauf eines Klassenkameraden, der in der Folge von der Polizei erschossen wird, aber im Krankenwagen plötzlich wieder «aufersteht», nur knapp und ist daraufhin so traumatisiert, dass er sich das Leben zu nehmen versucht, was aber misslingt, da er ebenfalls mit dem Virus infiziert ist. Der Roman verfolgt im weiteren Verlauf die Schicksale der Protagonisten und die Veränderung der Gesellschaft durch das Virus und die Pandemie. Die Geschichte endet damit, dass der Sohn des Arztes zum «Hohepriester» einer neuen Religion wird. «Die grösste Kathedrale dieser Kirche steht im irischen Doolin und die Cliffs of Mohair sind zum Pilgerort par excellence geworden. Das Label der Kirche, die schlicht den Namen «Religion» trägt, ist ein kniendes, die Hände beschwörend zum Gebet erhobenes Skelett, das verblüffend dem Label einer längst vergangenen Modemarke ähnelt. Ramses selbst ist fast zum Knochenmann geworden, hat er sich doch als Hungerkünstler einen Namen gemacht, der von sich behauptet, sich nur noch von Luft, Licht und Wasser zu ernähren. Gewiss, den Hungertod kann ein Unsterblicher nicht erleiden, wenn er auch den Hunger nie ganz los wird. Ramses hat das Hungergefühl fast bis zur Nichtexistenz in sich abgetötet. Mit dem Durst ist ihm das aber nicht gelungen. Freilich, einen Immortalen, und erst recht einen Immortalen vom Format eines Ramses, kann auch der Mangel an Flüssigkeit nicht umbringen, aber das Durstgefühl ist eben noch viel elementarer als der Hunger und kaum oder vielleicht gar nicht zu überwinden. (…) Ramses, einige hundert Jahre alt, so genau weiss er das selbst nicht, hat glühende Augen wie schwarzer Amethyst, die tief in den Höhlen lagern, sieht aber immer noch aus wie ein Jüngling – ein magersüchtiger junger Mann. Seine Knochenfinger zeigen anklagend auf sein Publikum, während er mit leiser, krächzender Stimme Unverstehbares von sich gibt. Sein kaum mehr als aus Haut und Knochen bestehender Körper wird von einer Art schwarzem Mönchsgewalt verhüllt. Niemand kann seinem Charisma widerstehen, nicht mal er selbst. Er ist dazu verdammt, sich zu bewundern. Er ist dazu verdammt, sich allwissend zu fühlen. Er ist dazu verdammt, alles Leid der Welt auf seinen Schultern zu tragen. Einen unglücklicheren Menschen als Ramses lässt sich schlechterdings nicht vorstellen.

Die Kirche, die den Namen «Religion» trägt, vertritt keine Lehre, keine Moral, keine zehn Geboten, keinen Askesezwang, sondern beruht einzig und allein auf dem Gedanken der Auslöschung von allem, der Sehnsucht nach dem Nichts, der Nichtexistenz – nach dem allumfassenden Tod als letztem und höchstem Ziel. Die heiligste Handlung dieser Kirche ist die Pilgerfahrt zu den Cliffs of Mohair, so wie früher der Ganges für die Hindus und Mekka für die Muslime die ultimativen Anziehungspunkte waren. Vor dem eigentlichen Ziel der Pilgerfahrt unmittelbar über den Klippen bilden sich tagtäglich kilometerlange Schlangen von Pilgern, die zum heiligen Sprung in die Tiefe entschlossen sind. Ein ganzes Heer aus Ordnungshütern und Organisatoren sorgt für einen geregelten Ablauf des Rituals. Die Pilger haben sich vor dem Sprung nackt auszuziehen, ein stets wachsender, demonstrativ weithin sichtbarer Kleiderberg symbolisiert die zunehmende Anziehungskraft des Rituals auf die Masse der Unsterblichen. Da es trotz Klimaerwärmung meistens eher kalt oder doch immerhin kühl ist in der Gegend, stehen die Pilger fröstelnd auf dem Felsen und blicken mit Inbrunst auf die schäumenden Wassermassen unter ihnen. Dann heben sie ab und fliegen davon – wie Bungee-Springer, freilich ohne sicherndes Seil.

Aus dem Blick einer Drohne fällt Unser Auge auf ein Menschenmeer, das langsam und stetig gegen die Klippen drängt und Hunderte von Menschen zeigt, die nach vorn geschoben werden und dann in die Tiefe fallen wie Spielfiguren. Unten im Meer ein Knäuel ineinander verkeilter zerschmetterter beschädigter Leiber. Während jene, die sich regeneriert haben, von Booten aus dem Meer gefischt werden, werden diejenigen, die der gnädige Tod geholt hat, weil ihre Körper und/oder ihre Hirne irreparabel beschädigt worden sind, sofort in den Stand von Heiligen erhoben und in der  Kathedrale der Kirche durch ein Denkmal geehrt.» (Ausschnitt aus dem Roman)

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