Christian Urech
Das glückliche Leben
Ich habe heute eine Sendung gesehen (auf SRF, der Club) zum Thema «Das gute Leben». Es wurde allerhand diskutiert: Ob Geld glücklich mache, ob es etwas nütze, einem einzelnen Penner Gutes zu tun, inwiefern die Glücksfrage eine Art Luxusproblem von uns privilegierten Westlern sei. Dabei ist es doch ganz einfach. Ich bin zwar gewiss kein frommer Mensch und schon gar kein frommer Christ, aber doch scheinen mir die sieben Todsünden des Christentums einen Weg zum glücklichen Leben zu weisen, nämlich, indem man die sieben Todsünden nicht unter einem moralischen, sondern einem lebenspraktischen Aspekt betrachtet. Nicht glücklich macht den Menschen zum Beispiel die Superbia, der Hochmut, der Stolz, die Eitelkeit. Ein hochmütiger Mensch ist mit Sicherheit ein einsamer Mensch, weil niemand den Stolz und die Hochmut eines anderen Menschen goutiert. Noch verheerender auf ein geglücktes Sozialleben wirkt sich die Avaritia, der Geiz oder die Habgier aus. Niemand möchte einen geizigen oder habgierigen Menschen zum Freund haben. Auch die Luxuria, die Wollust, die reine Ausschweifung, die reine

Genusssucht und Begehren ist, wird einen Menschen letztlich nicht glücklich machen, weil sie ihn einem Zustand der Ohnmächtigkeit aussetzt, wie Tantalus, der nach Früchten greift, die er letztlich nie kosten kann. Die Ira, der Jähzorn, die Wut und Rachsucht, ist das schlimmste Übel überhaupt, denn sie ist nie gerecht und zerstört letztlich nicht die anderen, denen die Wut gilt, sondern den Wüterich, den Attentäter, den Mörder selbst – kann ich mir einen Mörder als glücklichen Menschen denken? Wohl eher nicht. Der von der Gula, der Völlerei (Gefrässigkeit, Masslosigkeit, Selbstsucht) Besessene ist dagegen eher eine tragische Figur: ein Opfer, das sich nur spüren kann, indem es übertreibt. Natürlich macht auch die Invidia nicht glücklich, der Neid, die Eifersucht und Missgunst: Heute habe ich in einem Café ungefähr zwanzig Minuten lang einigen Leuten zugehört, wahrhaft tragischen Figuren, die sich mit unnachahmlicher Penetranz über die schlechten Charaktereigenschaften ihrer ausländischen Mitbewohner ausgelassen haben. Was muss das für ein Leben sein, das seine Legitimität einzig daraus bezieht, sich mittels Nationalitätenzugehörigkeit über andere zu erheben? Und letztlich die Acedia, die Faulheit, Feigheit, Ignoranz und Trägheit des Herzens: Wohl die verbreiteste Untugend, die zu einem schlechten Leben führt.
Conclusio: Was ist ein glückliches Leben? Eines, das von der Liebe lebt? Das unglückliche Leben wird vom Hass regiert.